Mit dem Aschermittwoch beginnt die offizielle christliche Fastenzeit, für viele Menschen ist es eine Phase der bewussten Enthaltsamkeit und Reinigung. Offiziell dauert dieser Zeitraum 40 Tage an – ganz schön lang. Zu lang? «Ich würde niemandem raten, 40 Tage streng zu fasten», erklärt Prof. Michaela Axt–Gadermann im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. So gesund es auch sei, der Stoffwechsel werde umso langsamer, je länger und strenger das Fasten andauert.
Denn beim Fasten werden Stoffwechsel und damit auch Kalorienverbrauch heruntergeschraubt und die Muskeln bauen ab. Die Ärztin empfiehlt, während und ausserhalb der Fastenzeit immer wieder kürzere Fastenzeiten einzubauen: «Zum Beispiel ein– bis zweimal wöchentlich 16:8, also 16 Stunden fasten und 8 Stunden normal essen – und das möglichst gesund und ballaststoffreich.» Worauf kommt es noch an?
Ärztin rät von klassischen Fastenkonzepten ab
Beliebte Fastenkonzepte wie das Buchinger–Heilfasten, Schroth–Kur oder F.–X.–Mayr–Kur sind laut Prof. Michaela Axt–Gadermann überholt. «Trotz oder gerade aufgrund ihrer jahrzehntelangen Tradition sollten sie anhand aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse kritisch hinterfragt und neu konzipiert werden», erklärt sie. Vor mehr als 100 Jahren, als diese Konzepte entwickelt wurden, sei die enorme Bedeutung des Mikrobioms noch völlig unbekannt gewesen, man forschte nicht zur Ernährung und es gab keine Kenntnisse über den Stoffwechsel.
«Heute wissen wir, dass der Darm kein Abflussrohr ist, das erst mal gereinigt werden muss, sondern dass er mit dem Mikrobiom eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde beherbergt», erläutert die Medizinerin. Jede Art von Darmreinigung oder Darmspülung beschädige dieses System nachhaltig. «Eine ‹Darmreinigung› ist deshalb ähnlich fatal wie eine Brandrodung des Regenwaldes.»
«Werden dann noch tage– oder wochenlang ballaststoffarme Weissmehlbrötchen als Fastenspeise verzehrt, nimmt man dem Mikrobiom jegliche Möglichkeit, sich zu regenerieren», fügt sie hinzu und warnt: «Wer heute noch behauptet, der Darm müsste gereinigt werden, sonst würde sich der Körper beim Fasten vergiften, der kennt sich mit der Physiologie unseres Darms nicht aus.»
Mikrobiom ist beim Fasten wichtig
In ihrem Buch «Der neue Fasten–Code» (südwest Verlag) stellt Michaela Axt–Gadermann ein moderneres Fastenkonzept vor, das sich auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse stützt. Die Methode nennt sich «Mikrobiom–Fasten» und unterscheidet sich deutlich von bekannten Konzepten: Neben der wegfallenden Darmreinigung verzichtet die Methode auch auf nährstoffarme Weissmehlbrötchen, die in anderen Kuren vorkommen. Kaffee trinken ist ausdrücklich erlaubt und sogar empfohlen. Zudem rät Prof. Axt–Gadermann, präbiotische Ballaststoffe und probiotische Bakterien einzunehmen, die die Mikrobiom–Effekte zusätzlich verstärken.
Zusätzlich empfiehlt die Medizinerin Nahrungsmittel, die als Fastenimitatoren gelten, neben Kaffee ist das etwa grüner Tee oder Kurkuma. Beim Intervallfasten können auch Lebensmittel wie Äpfel, Brokkoli, Hülsenfrüchte, Erdnüsse, Kürbiskerne, Weizenkeime, Olivenöl, Chili und dunkle Beeren im Mahlzeitenfenster verzehrt werden. Bei längeren Fastenphasen kann gegen den Hunger eine Handvoll Mandeln geknabbert werden.
Warum Fasten so gesund ist
Vom Fasten abraten würde Michaela Axt–Gadermann Menschen nur in wenigen Fällen, etwa bei Essstörungen wie Anorexie. Personen mit Zuckerkrankheit, Gicht oder anderen chronischen Erkrankungen sollten längere Fastenphasen nur unter ärztlicher Aufsicht in einer Fastenklinik durchführen. Generell sei Fasten aber sehr gesund: «Der Nahrungsverzicht wirkt sich günstig auf Alterungsprozesse aus und scheint bei regelmässigem Fasten eine lebensverlängernde Wirkung zu haben», erklärt die Medizinerin. Zudem wirke es sich positiv auf Blutzucker– und Insulinspiegel, Blutfettwerte und auch das Gewicht aus. Fasten ohne Darmreinigung sorge ausserdem für eine Zunahme der bakteriellen Artenvielfalt im Darm und macht dadurch das Mikrobiom gesünder.
Besonders gut in den Alltag zu integrieren ist laut der Ärztin das Intervallfasten. «Das Schöne daran ist die Flexibilität, denn man braucht keine Vorbereitung, sondern kann mittags entscheiden, einen Intervallfastentag einzulegen und dann einfach das Abendessen streichen. Das kann man einmal oder mehrmals wöchentlich machen», erklärt sie. Aus Stoffwechselsicht sei es besser, das Abendessen ausfallen zu lassen, als das Frühstück zu streichen.