Sie trugen Schwarz, gespickt mit ein bisschen Weiss. Und einer Jeans. Immer. Farben waren was für die anderen. Sie fuhren eine klare Linie ohne Schnörkel, jedes Abbiegen in Richtung Farbe liess sie schlingern. Und jetzt? Gleichen ihre Wäscheständer cremigen Softeis-Häufchen. Über anfängliche Etappen der Farb-Einstreuung tauchen sie darin ein und klettern von einem zarten Veilchen-Schleier überzogen heraus – auch mal von Kopf bis Fuss. Ein Zuckerschock. Wie konnte auf die Maxime Minimalismus eine so lodernde Lila-Liebe folgen?
Es ist so verwirrend wie die Deutung der Farbe selbst
Bei keiner Farbe ist man sich so dermassen uneinig. In der Farbe Lila trifft vieles aufeinander: Blau mischt sich bei ihrer Entstehung mit Rot, vereint somit Männliches und Weibliches, Wasser prallt auf Feuer, Frieden auf Krieg, Geist auf Körper. Es entstehen Spannungen und Wiedersprüche ebenso wie Harmonien.
So sprach Dichter Johann Wolfgang von Goethe, der sich auch der Farbenlehre widmete, Lila den «Schrecken des Weltuntergangs» zu, während Expressionist Wassily Kandinsky ein gutes Jahrhundert später sinnierte, Violett habe «etwas Krankhaftes, Erlöschtes, etwas Trauriges an sich». So steht das zarte Farb-Pflänzchen für Einsamkeit, sexuelle Frustration und Verlust ebenso wie für Mystik, Kreativität und Ruhe. Schliesslich haben wir alle schon besonnen an einem duftenden Lavendel-Strauch geschnuppert. Simon Porte Jacquemus pflanzte die künstlerischen Ergüsse seiner Frühjahr/Sommmer-Kollektion 2020 gar in ein ganzes Feld der pastellfarbenen Heilpflanze.
Ist der Zeitgeist lila?
«Wir bleiben wach bis die Wolken wieder lila sind», sang Rapper Marteria 2012 und machte Violett zum hymnenhaften Lebensgefühl. Auch jetzt fügt sich die Farbe ganz wunderbar in eine Zeit, die sowohl von Angst, als auch von Optimismus geprägt ist. Von Einsamkeit und Zusammenhalt. Von Stillstand und Innovation. Nie war Lila aktueller. Und löst als Trendfarbe tatsächlich das sich so hartnäckig auf allen Oberflächen festkrallende Millennial Pink ab.
Streiken wir derzeit nicht alle in lila Dunstschwaden? Aufgrund des Mischverhältnisses aus weiblichem Rosa und männlichem Hellblau symbolisiert Violett seit dem 19. Jahrhundert die Gleichstellung der Geschlechter. Zudem ist die vermeintlich zarte Farbe bereits seit der Antike Symbol für Frauenliebe, Unabhängigkeit und Freiheit. Erste Zeitzeugnisse finden sich auf der griechischen Insel Lesbos – verfasst von der Lyrikerin Sappho. Erinnern wir uns nicht zuletzt an den so erfolgreich verfilmten Roman «The Color Purple» (zu deutsch «Die Farbe Lila») von Alice Walker aus dem Jahre 1982, der die Emanzipation einer sich selbst befreienden Afroamerikanerin in den Südstaaten nachzeichnet.
Warum Prince im lila Regen stand ...
... ist nicht geklärt. Er selbst hat daran geglaubt, dass lila Regen den Weltuntergang ankündigen werde. Ob das, was gerade vor sich geht, als solcher gilt, ist zu bezweifeln. Fest steht: Flieder, Veilchen und Aubergine prasseln auf uns herab als gäbe es kein Morgen mehr. Aber vermutlich aus einem ganz harmlosen Grund: die Li-La-Laune, die der aufkeimende Sommer macht. Die Tatsache, dass eine pastellige Veilchen-Nuance so grossartig an sonnengeküsster Haut aussieht. Ja, dass der Flieder blüht.
Und wie geht der Li-La-Laune-Guss?
Die violette Welle kommt in allen Farben und Formen: als Satin-Slipdress, als Bikini, als Blazer, als Jogginganzug, als Schuh – oder eben als grosses Ganzes. Bei Lila von Kopf bis Fuss ist es besonders schön, verschiedene Lila-Töne und -Prints miteinander zu mischen. Die, die noch immer im schwarzen Minimalismus-Loch stecken, tasten sich langsam ran: Mit einzelnen Teilen wie Top oder Hose. Sandalen oder Täschchen sind perfekte Einstiegs-Accessoires.