Viele Alltagsprodukte enthalten geringe Mengen an Alkohol. Worauf wir als Konsumenten achten können und ob dabei Gefahren für Schwangere, Kinder oder Suchtkranke bestehen, verrät Dr. med. Reingard Herbst, Chefärztin der NESCURE Privatklinik am See, im Interview.
In welchen alltäglichen Lebensmitteln und Getränken ist versteckter Alkohol enthalten?
Dr. med. Reingard Herbst: Versteckt heisst hier in aller Regel zugesetzt. Das gilt für Mischgetränke, alkoholfreies Bier, wenn nicht ausdrücklich 0,0 Prozent darauf steht, auch für Marmeladen, Saucen, Süssigkeiten, Kuchen, Torten, Pralinen, Schokoriegel und sogar Toastbrot. Er wird oft zur Haltbarmachung, aber auch zur Geschmacksveränderung eingesetzt.
Wie lässt sich erkennen, dass in Fertigprodukten wie Marmelade oder Saucen Alkohol enthalten ist?
Bei gekauften Produkten lässt es sich nur dann erkennen, wenn eine Kennzeichnung vorhanden ist. Bei Getränken gilt, dass unter 0,5 Volumenprozent Alkohol eine Kennzeichnung nicht vorgeschrieben ist. Bei offenen Produkten kann man nachfragen, im Zweifelsfall müsste man diese Lebensmittel meiden, wenn nicht geklärt werden kann, ob Alkohol zugesetzt ist.
In welchen natürlichen Lebensmitteln versteckt sich Alkohol?
Vor allem in Säften, Kefir, Sauerteigbrot, Essig, Sauerkraut, Aromen und überall dort, wo Gärung stattfindet, versteckt sich häufig Alkohol.
Sind diese Lebensmittel für Alkoholkranke, Schwangere oder Kinder bedenklich?
Gesundheitlich bedenklich sind diese geringen Mengen in aller Regel nicht. Sie sind ja auch natürlich entstanden und nicht extra zugesetzt. Bedenklich wäre eher, wenn das Lebensmittel dadurch einen typischen Alkoholgeschmack bekäme und dadurch z.B. bei Kindern eine Prägung auf Alkoholhaltiges stattfände. Auch werden diese Lebensmittel nicht in grossen Mengen konsumiert, sodass die minimalen Mengen Alkohol nach jetzigem Kenntnisstand keine gesundheitlich negativen Auswirkungen haben. Schwangere sollten in jedem Fall zum Schutz des Ungeborenen zugesetzten Alkohol meiden. Gegen Essiggurken, Sauerkraut, Essig, Brot spricht nichts.
Wie sieht es mit dem Promillegehalt aus, kann es nach vermehrtem Konsum jener Produkte Probleme geben, etwa im Verkehr?
Nein, aufgrund der minimalen Mengen an Alkohol gibt es keine Probleme im Verkehr.
Inwiefern besteht für Menschen mit Alkoholproblem Gefahr beim Konsumieren der genannten Produkte?
Sofern Alkohol zugesetzt ist, kann dieser bei den Betroffenen in den entsprechenden Hirnarealen zu Assoziationen führen und damit zum Wunsch, Alkohol zu trinken, das nennt man Suchtdruck. Wenn der Alkohol nicht zu schmecken ist bzw. natürlicherweise im Produkt entstanden ist, ist die Gefahr gering und der Betroffene wird in aller Regel keinen Suchtdruck entwickeln.
Sollten Betroffene bewusster darauf achten, keine Produkte mit Alkohol zu konsumieren?
In jedem Fall sollten Betroffene nicht bewusst Lebensmittel mit Alkoholzusatz konsumieren, denn hinter dem bewussten Konsum kann bereits der Wunsch nach dem echten Alkohol stecken und die Zentren im Gehirn werden bei trockenen Alkoholikern sehr schnell aktiviert.