I Am Not Ok With This
Nö, wir auch nicht. Corona nervt. Allein zu Hause vor sich hinsiechen ebenso wie als queerer Teenager mit einer ausgewachsenen Aggressionsstörung in einem lahmen Kaff in Pennsylvania zu leben. Die 17-jährige Sid ist eine kleine Psychopathin mit übernatürlichen Kräften. Dummerweise hat sie sich in ihre BFF Dina verknallt. Die wiederum hat unnötigerweise einen (klaro) Sportlerfreund, der sie zu oft Babe nennt. Wenn Sid wütend oder traurig wird, bluten Nasen und bersten Wände. Weil Netflix es neuerdings so wunderbar beherrscht, Probleme in eine ansprechende Eighties-Welt zu pflanzen, zeichnen die «Stranger Things»-Macher auch hier den Struggle ums Erwachsenwerden zynisch, herzergreifend und in dezentem Sepia nach.
Wir lieben die Show, weil man als Superhero nicht ständig seine Hände desinfizieren muss.
Drive To Survive
Lautet derzeit schliesslich der allgemeine Konsens. Alles wird gegeben, ausser Hände. So rasant wie der Virus ist auch diese Formel-1-Doku, die die Fahrer der Königsklasse durch die Saison begleitet. Man erhofft sich ein bisschen Gossip, Drama und Soap Opera, bekommt es nicht und ist trotzdem von den Socken. Weil die erste Staffel ein ganz neues Publikum erreicht hat, schoss man direkt eine zweite nach. Da geht es um die Kontroverse um Sebastian Vettels Kanada-Strafe und Lewis Hamiltons Weg zum sechsten WM-Titel. Klingt noch immer lame und irgendwie klischeehaft männlich? Vertraut uns einfach.
Wir lieben die Show, weil man als Modemädchen, wenn schon nicht Haus und Bett, wenigstens seine Comfort Zone verlässt.
I Am A Killer
Liebes Coronavirus, hättest du Lust, Netflix deine Gesichte zu erzählen? Zehn zum Tode verurteilte Mörder taten das bereits in dieser faszinierenden Gänsehaut-Doku. Ganz ausführlich. Die Aussagen von Anwälten und Angehörigen machen die Sache nicht weniger gruselig. Die Macher urteilen nicht, sie lassen erzählen und ziehen sich zurück. Und dann ... wollen wir selbst Rätsel lösen.
Wir lieben die Show, weil wir selbst entscheiden können, wem und was wir glauben wollen.
The End Of The F***ing World
Es ist soweit. Nun gut, die Welt geht vermutlich nicht (komplett) unter, aber es gibt eine neue Staffel dieses bezaubernden Coming-of-Age-Dramas. In der ersten haben die Teenager James und Alyssa auf ihrem Bonnie-und-Clyde-Roadtrip irgendwie aus Versehen jemanden umgebracht. James wurde angeschossen und Spoiler: Er lebt. Die traumatisierte, mordlüsterne Bonnie ergänzt das verschrobene Duo zu einem Trio, das sich mit Emotionen brutal schwer tut. Der Erzählstoff ist schwer, der Humor kohlrabenschwarz. Und es ist zum wiederholten Male heartbreaking, James und Alyssa dabei zuzusehen, wie sie sich ungelenk lieben und das Höchste der Gefühle James`Schweigen und Alyssas perfektionierte Gesichtsakrobatik ist.
Wir lieben die Show, weil wir lernen, dass Gefühle Angst machen. Nirgends liegen Tragik und Komik im Netflix-Universum näher beieinander. Vergesst Corona-Memes, vergiesst bittersüsse Teenie-Tränen!
Unbelievable
Tatsächlich unglaublich: Dass man Mädchen heutzutage nach wie vor nicht glauben will, dass sie vergewaltigt wurden. Der Krimi-Achtteiler, der einen wahren Fall behandelt, bespricht den Kampf mehrerer Frauen um Gerechtigkeit in einer Männerwelt. Auf dokumentarische Art und Weise erzählt Netflix die Passionsgeschichte eines blassen, leeräugigen Mädchens, das nach dem schrecklichen Verbrechen absurde Demütigungen ertragen muss und von allen fallen gelassen wird – und den jahrelangen Ermittlungungen zweier Polizistinnen.
Wir lieben die Show, weil es ganz unbestritten unglaubliche Dinge gibt. Auch Rinderwahn und Vogelgrippe.
Love Is Blind
Oft fangen die Dinge ja harmlos an: Eine attraktive Armee männlicher und weiblicher Singles soll sich innerhalb von 30 Tage lieben lernen – ohne sich von Äusserlichkeiten ablenken zu lassen. Sie daten sich in kleinen Kabinen, getrennt durch eine dünne Wand. Vier Tage vergehen und zack, tatsächlich – die ersten sind unsterblich verliebt. Ein Paar verlobt sich. Man möchte sich an den Kopf fassen, doch irgendwie geht es einem nahe, obwohl man nicht will. Zwischen Knutschereien, Saufgelagen, lautstarken Beefs und Lästerrunden kommt es zur Hochzeit – und jeder, der einmal eingeschaltet hat, bleibt garantiert bis dahin dran.
Wir lieben die Show, weil es unsere Trash-Tiefen ergründet und unser Suchtpotenzial voll ausschöpft. Nie war Fieber besser.