Mal angenommen wir müssten in 120 Sekunden einen Vortrag starten und wären optimal darauf vorbereitet: Es gäbe keinen Grund genau in diesem Moment die eigene Power-Point-Präsentation zu hinterfragen. Stellen wir uns 111 Sekunden vor hypothetischem Beginn also lieber nicht die Frage, ob die Grafik auf dem letzten Slide für alle verständlich ist, wenn die Bestätigung dafür bereits von mehreren Befragten kam. Andernfalls riskierten wir unnötige 31 Sekunden, in denen gedanklich Pro- und Kontraargumente zu genanntem Slide gelistet würden, was wiederum nur dazu führte, in den restlichen 80 Sekunden den eigenen Puls zu beschleunigen. Bei Nervosität liegt die Herzfrequenz bei über 100 Schlägen pro Minute. Hallo Unsicherheit.
Posieren geht über studieren
Bevor das Herz pocht: Lassen wir das Studieren besser sein. Und? Posieren stattdessen. 120 Sekunden genügen laut Sozialpädagogin Amy Cuddy nämlich, um das eigene Selbstbewusstsein zu pushen. «Ich möchte damit beginnen, Ihnen ein kostenloses Lebens-Upgrade zu demonstrieren», spricht sie 2012 zum Publikum ihres Ted Talks. Dann führt sie in die Praxis des Power Posings ein und rät zu einer einfachen Strategie: «Fake it, till you make it». Das Selbstbewusstsein kommt mit einer selbstbewussten Haltung. Lediglich brauchen wir nur zwei Minuten in einer aufrechten Position auszuharren und bemerken bereits einen Unterschied.
Warum das funktioniert?
Das klappt, weil «sich bei Power Posing verschiedene Hirnareale gegenseitig erregen», erklärt Psychologin Dr. phil. Batya Licht. In Situationen, in denen wir uns selbstsicher fühlen, werde unsere Körperhaltung beeinflusst. Sie lasse uns grösser erscheinen – und innerlich grösser fühlen. Körper und Kopf sind aufrecht, der Brustkorb breit und die Schultern offen und locker. Nehmen wir diese Haltung also mit Absicht ein, schliesse das Gehirn daraus, dass wir uns jetzt in einer selbstsicheren Situation befinden. Wir tricksen ihn also aus. Allerdings weist Batya Licht darauf hin, dass massive Selbstwertprobleme nicht durch eine Pose gelöst werden können.
Umgekehrt signalisieren wir unserem Gehirn mit den entsprechenden Gegenbewegungen Unsicherheit. Das Prinzip bleibt dasselbe. Ein Gefühl bewirkt eine Haltung. Eine absichtlich eingenommene Haltung wird vom Gehirn dem entsprechenden Gefühl zugeordnet. Machen wir uns klein, drücken die Schulterblätter nach vorne und erzeugen eine gebückte Haltung, interpretiert das Hirn die Gestik somit als Unsicherheit.
Zurück zu unserem hypothetischen Vortrags-Szenario: Die letzten 120 Sekunden vor Beginn verbringen wir selbstverständlich in Power-Pose.